06.03.2019

Vom Wissen, Spielen und Handeln

Was macht den Spielansatz so spannend für die Urban Equipe? Inwiefern geht er über die klassische Wissensvermittlung hinaus? Und wieso sollte er öfters für Erwachsene eingesetzt werden? Anna gibt uns im Gespräch Einblicke in den Arbeitsprozess des ersten methodischen Fokus der Urban Equipe.

Hallo Anna. Du kümmerst dich in der Urban Equipe übergreifend um die Entwicklung spielerischer Formate. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wir entwickeln Formate für das spielerische Entdecken und Erleben von urbanen Räumen und Themen. Diese spielerischen Formate sollen Kollaboration, Zusammenarbeit und Engagement erleichtern und fördern.

Wie entwickelt man solche Formate?

Einerseits untersuchen wir bestehende Spiele. Andererseits schaffen wir, meist zusammen mit Kompliz*innen, auch neue spielerische Methoden und Praktiken. Sowohl eigene als auch fremde Spiele testen und dokumentieren wir, um sie dann anschliessend der Allgemeinheit als Urban Equipment zur Verfügung zu stellen. Das kann ein Spiel zum Nachbauen sein oder aber auch ein Rezept, um selber ein Spiel zu einem bestimmten Thema zu entwickeln.
Der Weg dahin führt über einen riesigen Recherche-Block: Was gibt es bereits? Wie kann das weiterentwickelt oder auf neue Themen adaptiert werden? Und was fehlt bisher noch komplett? Und so entstehen auf einmal neue Spielideen, welche dann ganz viel Ausprobieren nach sich ziehen, bis irgendwann ein erster Prototyp gespielt werden kann.

Wieso braucht es deiner Meinung nach mehr spielerische Formate?

Weil sie komplexe Systeme herunterbrechen und dadurch den Zugang zu stadtplanerischen Themen erleichtern. Und weil sie eben nicht nur passiv Wissen vermitteln, sondern dazu beitragen, dass man sich neues Wissen oder auch eigene Erkenntnisse selber aneignet. Das geht weit über die klassische Vermittlung hinaus, wo oft Wissen vom Experten an Nicht-Experten weitergegeben wird. Die Wissensvermittlung ist dabei oft sehr einseitig und läuft die Gefahr, in ein Experten-Laien-Gefälle abzudriften.

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Und wie "vermittelt" der Spielansatz?
Im Spielansatz wollen wir nicht nur starres Wissen teilen, sondern den Spielenden darüber hinaus Werkzeuge an die Hand geben, die eine selbständige Wissensaneignung und Meinungsbildung anregen. Alles was man sich selbst aneignet oder erfährt, hat bleibende Wirkung. Vor allem bei Verhandlungsspielen und Rollenspiele kann man sich in neue oder gar fremde Positionen hineinversetzen. Dies ist nicht nur für Laien, sondern auch für Experten enorm wertvoll. Das Nachempfinden kann viel mehr bewirken, als dieselben Inhalte nur passiv zu hören oder zu lesen. Entsprechend können spielerische Formate sehr viel mehr bewirken, als man ihnen gemeinhin zutraut.

Welche Wirkung wollen die Spielformate erzeugen?

Ganz generell wünsche ich mir, dass unsere Spiele und spielerischen Formate Zusammenarbeit und Kollaboration fördern und das angeeignete Wissen direkt angewendet werden kann. Und dass wir andere dazu inspirieren, selber spielerische Methoden anzuwenden.
Das konkrete Wirkungsziel unterscheidet sich dann je nach Spielformat: angefangen beim Aneignen von Wissen oder Sensibilisieren gegenüber Problemen, über das Aufbauen einer gemeinsamen Sprache oder Arbeitsweise in einer heterogenen Gruppe, bis hin zum gemeinsamen Planen und Entscheiden in einem Projekt.

Der Spielansatz scheint demnach wie gemacht zu sein für das Planen von Städten. Ist er entsprechend vertreten?
Spielideen zum Thema Stadtentwicklung oder für das Entdecken von Stadträumen sind nichts komplett Neues. Erstaunlich ist jedoch, dass sie meist nur für Kinder und Jugendliche eingesetzt werden, während bei Erwachsenen vermehrt auf formelle Vermittlungs- und Beteiligungsformen gesetzt wird, so dass eine Post-It-Schlacht oft das Hoch aller Gefühle ist. Spiel scheint in vielen Köpfen nichts für Erwachsene oder für ernste Themen zu sein. Genau hier möchten wir ansetzen! Denn Erwachsene profitieren nicht zuletzt in komplexen Gruppen enorm von spielerischen Formaten. Jung wie auch Alt sind generell aufgeschlossener, wenn der Zugang zum Thema einfach ist. Zusammenarbeit in Gruppen kann so lösungsorientierter werden.
Entsprechend naheliegend war es für uns als Urban Equipe, hier einen methodischen Fokus zu setzen. Der Spielansatz ist wirkungsvoll, vielseitig und gleichzeitig einfach anwendbar auf unterschiedliche Themen.

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Wie darf man sich diese Vielseitigkeit vorstellen?
Es gibt bei uns aktuell simple und bekannte Formate wie Memory und Quartett zu verschiedenen Wohnformen oder einen "Stadt-Entdeckungs-Würfel". Daneben entwickeln wir gerade das "Gentri...NÖ"-Kartenspiel, welches die Gentrifizierung thematisiert und auf deren Auswirkungen sowie Katalysatoren sensibilisiert. Hier fliesst schon einiges mehr an konzeptioneller Arbeit und Fachwissen rein. Und dann gibt es auch noch die komplexen Rollen- und Verhandlungsspiele, wie beispielsweise das Conflicity Brettspiel.

Und was ist als nächstes geplant?

Wir möchten uns gerne sogenannten Co-Creation-Spielen widmen, bei welchen gemeinsame Ideen-, Entscheidungsfindung und Brainstorming im Fokus stehen. Wir wollen damit von der Wissensaneignung ins Handeln übergehen. Formattechnisch geht es hier weniger um physische Spiele wie oben erwähnt, sondern mehr um taktische Spielanleitungen.

Was ist einfacher, als anfangs gedacht?

Passende Ideen zu finden. Zu Beginn war nicht klar, ob wir genug umsetzbare Spielideen finden, die über reine Wissensvermittlung hinausgehen. Jetzt kommt quasi in jeder Kaffeepause noch eine neue tolle Idee.

Gibt es bei dir persönlich ein Herzensprojekt zum Thema?

Ein kleines Spielfestival! Ich würde gerne ganz viele Menschen einladen, die sich schon mit Spielentwicklung beschäftigt haben um zum Beispiel ein "How-To-Gamification-Manual" zu erstellen. Oder zusammen in kurzer Zeit ein Spiel zu entwickeln. Und um sich Auszutauschen. Es gibt viele Leute, die sich mit dem Spielthema beschäftigen. Dies zwar nicht unbedingt in der von uns behandelten spezifischen Verbindung von Kollaboration, Stadtmachen und Spiel. Aber oft mit einzelnen Aspekt davon. Und diese breite Erfahrung und das brachliegende Potenzial würde ich in einem Austausch sehr gern öffnen.
Und bis es soweit ist , freue ich mich auf eine Soft-Version davon: Unsere Spielreihe Sirup, Schnaps & Spiele, wo wir alle Spielbegeisterten und Interessierten zum Spielen einladen.

Welche Worte fassen deine Arbeit hierzu am besten zusammen?

Idee, Konzept und Prototyp

UE Blog Spielen Portrait

Über Anna

Wohn- & Lieblingsort? Zürich & Pavilleon

Hintergrund?
Urbanistikstudium an der Bauhaus-Universität Weimar und Universiteit van Amsterdam

Urban Equipe Hut?
Kollaboration, Spiele, Equipment, Grafik

Projekte, die dich inspirieren?
Kollektiv Raumstation, Stadt von Unten und Play the City