17.09.2019

Import Export von Stadtmach-Wissen

Wie können wir uns in die Stadtentwicklung einmischen? Wie organisieren wir uns als Vereine? Wie sind wir offen für neue Mitstreiter*innen? Und wie “docken” wir produktiv an Behörden und Politik an? Ein breiter Fächer an Antworten auf diese Fragen liegt verstreut bei verschiedensten engagierten Stadtmacher*innen. Wie ihre projektbezogenen Expertisen gesammelt, kuratiert und als Werkzeuge für Interessierte zugänglich gemacht werden kann, erfahren wir im Gespräch mit Anna.


Hallo Anna. Du hast diesen Sommer viel Zeit in die Spedition Stadtmachen gesteckt. Erklär uns doch kurz, worum es dabei geht?
Die Spedition Stadtmachen ist ein Austausch- und Vernetzungsformat, welches verschiedene Stadtmacher*innen zusammenbringt, um ihre Expertisen und konkreten Herangehensweisen zu alltäglichen Herausforderungen zu “sichern”.

Stadtmacher*innen?
So nennen wir jene Menschen und Gruppen, die sich aktiv und eigeninitiativ in die Entwicklung ihrer Städte einmischen und mitgestalten – nicht, indem sie sich in ein politisches Amt wählen lassen, sondern indem sie einfach machen. Indem sie sich zum Beispiel Plätze und Räume aneignen und umnutzen. Indem sie Nischen schaffen und Prototypen austesten. Und indem sie einen Diskurs anregen über die Stadt, die sie wollen.
Solche Stadtmacher*innen sammeln durch dieses Machen spezifisches Wissen darüber, wie man gewisse Dinge tut. Beispielsweise wie man an Räume kommt, wie sie organisiert und mit anderen geteilt werden können.
Unser Ziel ist es, dieses bisher exklusive Wissen weitergeben zu können – untereinander im Kreise der aktiven Stadtmacher*innen, aber eben vor allem auch darüber hinaus. Also für alle nicht anwesenden Stadtmacher*innen und alle, die es werden wollen. Denn wir haben gemerkt, dass wir alle immer wieder vor ähnlichen Hürden und Fragen stehen und wir entsprechend viel voneinander lernen können!

Woher kommt der Name Spedition?
Der Name steht sinnbildlich für unseren Prozess: den Import und Export von Ideen, Initiativen und Expertisen. Wir haben das schon vor zwei Jahren mal getestet, als wir das Kollektiv Raumstation zum Austausch in die Zwischennutzung Pavilleon nach Zürich eingeladen haben. Diesmal haben wir nun gemeinsam mit der Raumstation Stadtmacher*innen von weiteren spannenden Projekten eingeladen: zum Beispiel von der Zwischennutzung Neubad in Luzern, vom Verein Architecture for Refugees SCHWEIZ oder vom eigeninitiierten, unkommerziellen Kulturzentrum B-Side aus Münster.

Die Spedition importiert die Expertisen von und mit diesen Stadtmacher*innen und exportiert sie schliesslich als handliche Werkzeuge in einer gemeinsamen Publikation und in unserem Equipment!

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Der Prozess der Spedition
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Welche Methode habt ihr für diesen Expertisen-Import und -Export angewendet?
Wir wollten möglichst viel relevantes aber auch diverses Wissen sammeln. Uns war aber bewusst, dass viele der Stadtmacher*innen vor lauter Stadtmachen nicht genügend Zeit haben, um an einem mehrtägigen Austausch teilzunehmen. Daher haben wir unterschiedliche Rollen oder Tiefen der Mitwirkung geschaffen: Angefangen bei der ressourcen-schonenden Rolle der “Informant*innen”, deren Wissen in Interviews identifiziert und importiert wurde. Die “Spediteur*innen” waren hingegen drei Tage am Speditions-Workshop in Zürich präsent und haben die eigenen Expertisen zu anwendbaren Werkzeugskizzen weiterverarbeitet. Und dann gab es schliesslich noch die “Qualitätsprüfer*innen”: Diese kamen jeweils abends zum Workshop dazu, um das Erarbeitete zu feedbacken, weiterzuentwickeln und so ihre Expertise einzubringen.

Was hat dabei besonders gut funktioniert, oder eben auch nicht?
Definitiv eine Herausforderung war unser Anspruch, nicht einfach nur einen Austausch unter Expert*innen zu ermöglichen, sondern gemeinsam konkrete Inhalte für eine Publikation zu erarbeiten, die einen allgemeinverständlichen Zugang zum Wissen schaffen soll. Das hat die Teilnehmenden zu einem Umdenken gezwungen: weg von ihren eigenen, konkreten Projekten und hin zur Erarbeitung eines übergreifenden, abstrakten und dennoch einfach anwendbaren Werkzeugs. Am ersten Workshop-Tag musste also gewissermassen “gelernt” werden, konkrete Expertisen zu abstrahieren. Das ist etwas, was wir als Urban Equipe regelmässig tun, wenn wir konkrete Projekte in anwendbares “Equipment” übersetzen. Für die eingeladenen Stadtmacher*innen war das Vorgehen aber teilweise noch eher neu.

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Überraschend gut geklappt hat hingegen vom ersten Moment an die Zusammenarbeit. Von Beginn an herrschte eine regelrecht mitreissende, inspirierende Stimmung. Alle hatten sichtlich Lust und Spass am Austausch und dem gemeinsamen Erarbeiten der Werkzeuge. Ebenfalls positiv überrascht waren wir von Qualität, Tiefe und Vielfalt der Resultate. Denn es wurde enorm viel wertvolles Wissen zusammengetragen und aufgearbeitet. So zum Beispiel ein Leitfaden mit Gesprächs- & Verhandlungstaktiken für die Zusammenarbeit mit Verwaltung, Behörden und Politik, ein Spielregel-Set für das Teilen von Räumen oder ein Meeting-Mischpult, mit dessen Hilfe man auf die eigene Situation zugeschneiderte Meeting-Formate auswählen und deren Abläufe strukturieren kann.

Was passiert nun mit diesem Festival Output?
In den kommenden Monaten werden wir das “Rohmaterial” gemeinsam mit allen Beteiligten der Spedition Stadtmachen weiterentwickeln und gemeinsam die Struktur sowie die finalen Inhalte der Publikation erarbeiten. Am Schluss steht schliesslich ein Handbuch, welches zum Nachschlagewerk für engagierte Städter*innen werden soll. Egal ob sie nach genereller Inspiration, konkreten Problemlösungen oder weiterführenden Kontakten suchen. Egal ob sie noch ganz am Anfang ihres Engagements stehen oder schon mittendrin.
Neben der Publikation, welche die Werkzeuge thematische gruppiert und in Kontext setzt, werden die Inhalte Online in unserem Urban Equipment publiziert und hier als alleinstehende Werkzeuge ihren Dienst leisten.
Wir alle sind jetzt voll im Speditions-Fieber und freuen uns total auf die weitere Kollaboration und vor allem auch auf das Endprodukt! Wenn es euch auch so geht und ihr sofort mitbekommen wollt, wenn das Resultat veröffentlicht wird, dann jetzt unbedingt gleich für unseren Newsletter anmelden :)

Welche Worte fassen deine Arbeit hierzu am besten zusammen?
Expertenaustausch, Netzwerk, Stadtmachen

Fotos: Michael Pfister

Anna

über anna...

Wohn- & Lieblingsort? Zürich & Pavilleon

Hintergrund? Urbanistikstudium an der Bauhaus-Universität Weimar und Universiteit van Amsterdam

Urban Equipe Hut? Kollaboration, Teamtaktiken, Spiele, Grafik

Projekte, die dich inspirieren? Kollektiv Raumstation, Stadt von Unten und B-Side