Planung, Bau und Leben zwischen Stadt und Land
Mit unterschiedlichen Blickwinkeln und steilen Thesen ist die erste Ausgabe unserer Eventreihe WHAT THE STADT letzte Woche in Luzern über die Bühne gegangen. Drei Referent*innen pitchten interessante Ansichten zum Thema Stadt~Land.
Zusammen mit unseren zwei Kompliz*innen der Architekturzeitschrift KARTON und dem Neubad Luzern widmen wir uns aktuell der Frage, was das Planen, Bauen und Leben in Stadt, Agglo und auf dem Land unterscheidet. Und wie es eigentlich um die Urbanität in der Schweiz und insbesondere im Kanton Luzern steht. Diesen Fragen stellten sich an unserer Pitch Night ein Architekt, eine Politologin und ein Naturwissenschaftler. Die Kernaussagen der drei Referent*innen waren ähnlich und doch grundsätzlich verschieden.
Unterschiede und Nicht-Unterschiede
Erich Vogler, Architekt aus Obwalden und Mitautor bei KARTON, illustriert spannende Unterschiede und Nicht-Unterschiede zwischen der Architektur in städtischen und ländlichen Gebieten. Er selbst komme aus einem Dorf, in welchem mehr Menschen ausserhalb als innerhalb der Bauzone leben, was durchaus ein anderes Licht auf die Diskussion um Bauzonen werfe. Anhand konkreten Beispielen zeigt er dann auf, dass sich die Stadt- und Land-Architektur gar nicht so stark unterscheiden. Egal ob heute oder im Mittelalter. So wurde beispielsweise im frühen 20 Jahrhundert mit Kurhotels gezielt versucht, städtische Architektur aufs Land zu bringen. Und heute gibt es zahlreiche landwirtschaftliche Produktionsbetriebe, deren Architektur auch bestens in ein städtisches Industriequartier passen würden. Vogler resümiert, dass wir uns bisher zu sehr auf die “Einpassung in die Umgebung”– und damit auch auf die Vergangenheit – konzentriert haben, anstatt die endliche Ressource Boden sinnvoll und ressourcenschonend zu verwenden.
Die Zwischenstadt
Maarit Ströbele, Politikwissenschaftlerin und seit 15 Jahren im Bereich der Raumplanung tätig, fokussiert in ihrem Pitch auf den Raum dazwischen: die Zwischenstadt, Agglomeration oder Vorstadt. Mithilfe von Statistiken zeigt sie eindrücklich auf, wie die Bewohner*innen in der Agglomeration Stadt und Land wahrnehmen. So wohne ein Grossteil der Vorstadt-Bevölkerung gemäss eigener Einschätzung "auf dem Dorf" und wünsche sich auch klar ein Leben mit Dorfcharakter – und dies obwohl ihr Wohnort aus fachlicher Sicht oft eher als Stadt gewertet wird. Dies zeigt eine grosse Divergenz zwischen der Wahrnehmung seitens Bevölkerung und seitens Fachwelt auf. Ströbele fragt sich, ob die Unterscheidung zwischen Stadt und Land aufgrund der Grösse und Vielzahl schweizerischer Agglomeration überhaupt relevant sei. Muss es denn ein Entweder-oder sein? Oder sollten wir die Agglomeration nicht einfach so akzeptieren, wie sie ist?
Städtische Weitsicht
Urs Steiger, Naturwissenschaftler, Präsident des Landschaftsschutzverbandes Vierwaldstättersee und ehemaliger Gemeinderat von Horw, ergänzt seine Vorredner*innen mit steilen Thesen: "Hochhäuser machen noch keine Stadt", "Stadtleben ist ökologischer", "(Schweizer) Architektur hat keine Antworten für Agglomerations- und Dorfentwicklung" oder "Reurbanisierung ist zumeist auch Gentrifizierung". Auf Basis seiner Thesen reflektiert er über die Entwicklungen in den Dörfern rund um den Vierwaldstättersee und weist dabei auf bestehende Probleme hin, wie zum Beispiel fehlende planerische Instrumente für die Innenentwicklung. Er argumentiert weiter, dass einerseits urbane Lebensweisen auf dem Land akzeptiert, andererseits der ländliche Raum nicht künstlich verstädtert werden sollte. Denn Praxisbeispiele würden zeigen: "Verwaltungen denken in Einzelprojekten anstatt in Gesamtkonzepten". Steiger wünscht sich schliesslich für die Zukunft mehr "städtische Weitsicht", auch auf dem "Land".
Beim gemütlichen Ausklang des Abends im Neubad Bistro diskutierten die Referent*innen zusammen mit dem Publikum über offene Fragen und weiterführende Ideen. Die Urban Equipe dankt allen Teilnehmenden für den spannenden Abend und freut sich auf weitere Veranstaltungen im Rahmen von WHAT THE STADT.
WHAT THE STADT?
Was bedeutet urban?
Wer plant unsere Städte?
Gibt es so etwas wie Stadt und Land überhaupt noch?
Warum ist es teurer in urbanen Zentren zu wohnen, als ausserhalb?
Und was haben wir eigentlich von dieser Verdichtung zu erwarten?
Diesen und weiteren Fragen gehen wir in der Veranstaltungsreihe WHAT THE STADT? auf den Grund. In unregelmässigen Abständen. In unterschiedlichen Städten. In Kooperation mit lokalen Kompliz*innen.