Für einmal durch fremde Wohnzimmer spazieren? Nicht nur ein spannender Gedanke, sondern eine wichtige Taktik, um Bewusstsein zu unterschiedlichen und vor allem auch zukunftsfähigen Wohnformen zu schaffen. Wie ihr dies in Form eines Wohnungsspaziergangs Schritt für Schritt selber angehen könnt, erfahrt ihr in diesem How-to.
Taktik
Auf einem Wohnungsspaziergang werden zu Fuss verschiedene Wohnungen und Häuser erkundet. Bewohnende erzählen aus ihrem Zuhause und zeigen auf, was ihre Wohnform besonders macht und was sie daran schätzen – oder eben auch nicht. Die Teilnehmenden tauchen in verschiedene Wohnformen ein, diskutieren mit und lassen sich allenfalls zum Hinterfragen der eigenen Wohnform inspirieren.
>> Transfer: Spaziergänge sind eine gute Taktik um Menschen mit ähnlichen Interessen kennenzulernen: Sie bieten Möglichkeiten der unverbindlichen Gesprächsaufnahme und können auf verschiedenste Themen adaptiert werden.
Ideal, wenn ihr …
- … in einen Austausch zu verschiedenen Wohnformen kommen wollt, mit Bewohner*innen oder anderen Stadtmenschen.
- … euch oder andere für die Themen Wohnen, Zusammenleben und Nachbarschaft sensibilisieren wollt.
- … ein Bewusstsein über alternative Wohnformen schaffen wollt, indem ihr einen Diskurs ermöglicht.
- … ihr Spass daran habt, eine Stadt mittels Spaziergang zu entdecken.
- … Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts sowie Stadt-Kenntnissen einbinden und miteinander in Kontakt bringen wollt.
Schritt für Schritt

1. Fokus setzen
Als erstes solltet ihr das Ziel des Spaziergangs definieren und daraus zentrale Aspekte des Spaziergangs ableiten:
- geographische Eingrenzung (z.B. Quartier, Kreis, Überbauung)
- thematischer Fokus (z.B. genossenschaftliche Wohnformen, Wohnformen-Vielfalt, Hochhäuser, Verdichtung, etc.)
2. Wohnungen finden
Bei der Suche nach passenden Wohnformen helfen Recherche in Architekturzeitschriften und Tageszeitungen sowie die Suche nach auffallenden Wohnorten beim Herumspazieren durch die Stadt oder das Quartier.
Simpel aber wirkungsvoll: Um an die korrekten Kontakte zu kommen, die in den recherchierten Wohnungen leben, kann ein einfacher Aufruf im Bekanntenkreis via Social Media oder im geschäftlichen Netzwerken zielführend sein.
3. Route planen
Frühling bis Herbst ist die ideale Zeit für einen Spaziergang. Es lohnt sich frühzeitig mit der Planung zu beginnen: Terminfindung sowie Kontaktaufnahme mit möglichen Wohnungen idealerweise 3 Monate vor dem Spaziergang.
Die Lage der Wohnungen ist ausschlaggebend für die Routenplanung. Die besuchten Wohnungen sollten nahe beieinander liegen, sodass sich der Spaziergang zügig und idealerweise zu Fuss zwischen den einzelnen Wohnungen bewegen kann. Denn dieses gemütliche Zusammen-Unterwegssein bietet Raum für eine lockere Diskussion und Reflexion über das eben Gesehene.
Wir empfehlen euch eine Route mit 3-4 Stationen, jeweils 30-45 Minuten pro Station und etwa 10 Minuten Wegzeit dazwischen.
Tipp
Wenn viele Gastgebende zur Verfügung stehen und diese allenfalls auch weit auseinander liegen, könnt ihr mehrere parallele Routen planen.
4. Gastgebende besuchen
Nach Festlegung der Route, führt ihr Kennenlerngespräche mit den ausgewählten Gastgebenden, idealerweise direkt in ihrer Wohnung. Als Gastgeber*innen entscheiden sie selber, wo die Gruppe hingeführt und was erzählt wird. Dies könnt ihr im Kennenlerngespräch zusammen grob festlegen. Weitere Punkte des Vorgesprächs:
- Erklärung Ablauf des Spaziergangs
- Abklären, ob Fotos und eine allfällige Dokumentation in Ordnung sind
- Exakter Treffpunkt für Start der Besichtigung definieren
- Einladung zum Mitspazieren auf dem Rest der Tour
Nach dem Gespräch und einer definitiven Zusage der Gastgebenden könnt ihr den konkreten Zeitplan festlegen.
Wichtig
Das Kennenlerngespräch bedeutet Aufwand, aber lohnt sich aus Erfahrung enorm: Es fördert Vertrauen, macht die Führung dadurch persönlicher und ist gleichzeitig auch ein kleiner Testlauf.
5. Gäste einladen
Da die Teilnehmendenzahl pro Tour auf 10-15 Personen begrenzt ist, reicht es meist aus, den Event via Social Media, lokalen Plattformen und im Bekanntenkreis zu bewerben.
Achtet aber darauf, die zwingende Anmeldung klar zu kommunizieren, ebenso die Bitte um Abmeldung bei Verhinderung sowie die Option einer Warteliste. Zudem solltet ihr Kontaktangaben bei Anmeldung abfragen, so dass ihr am Event allfällig verspätete Teilnehmende kontaktieren könnt.
>> Psssst: Wenn der Startpunkt des Spaziergangs erst in der Anmeldebestätigung kommuniziert wird, könnt ihr unangemeldete Gäste vermeiden.
6. Event organisieren
Folgende Punkte solltet ihr bis zum Spaziergang organisieren:
- Transport: Wie kommt ihr von einem Ort zum anderen? Ist idealerweise alles zu Fuss möglich oder muss vereinzelt auf Velo und/oder ÖV zurückgegriffen werden?
- Gastgeschenke: Überlegt euch kleine Geschenke für die Gastgebenden.
- Dokumentation: Legt vorab fest, was dokumentiert werden soll (z.B. Abschlussbericht). So könnt ihr das nötige Material während der Tour erstellen (z.B. Fotos, Interviews).
- Ausklang: Gibt es am Ende der Tour einen Apéro für gemütlichen Ausklang und Austauschmöglichkeit? Wer bringt was mit oder wo geht es hin?
Super-Tipp
Im Falle von Regenwetter empfehlen wir euch die Organisation von Schuhüberzügen. Die Gastgebenden werden es euch danken.
7. Spaziergang leiten
Jede Tour wird von 1-2 Personen geleitet, welche die Gastgebenden durch das Vorgespräch bereits kennen. Die Tourleitenden...
- begrüssen die Teilnehmer*innen mit Infos zu Ziel und Ablauf des Spaziergangs sowie Hinweisen zu Privatsphäre und Sauberkeit,
- starten eine Vorstellungsrunde unter den "Mitläufern",
- führen die Gruppe von Ort zu Ort,
- "übergeben" die Gruppe am vereinbarten Treffpunkt den Gastgebenden (gehen selbst mit, haben aber nicht mehr den Lead),
- moderieren allfällige Fragen,
- stellen sicher, dass der Zeitplan eingehalten wird.
Nicht vergessen
Achtet darauf, den Gastgebenden mit Respekt vor Wohnungen und Privatsphäre zu begegnen! Wichtig ist zudem als Tourleitende*r stets objektiv zu bleiben und niemals ein Bashing einer bestimmten Wohnform zu betreiben. Mit eurer eigenen Meinung solltet ihr als Organisator*in zurückhaltend sein und stattdessen Offenheit verkörpern.
dazugehöriges Equipment
Equipment nutzen
Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist und eure Inhalte unter der gleichen Lizenz teilt:
Lizenz: CC BY-SA 4.0 | Urban Equipe
Zitiervorschlag: "Dieses Equipment ist unter CC BY-SA 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”
>> Die Erkenntnisse und Tipps dieses How-tos wurden im Gespräch mit Nextzürich sowie durch Beobachtung von respektive Teilnahme an ihren Wohnungsspaziergängen entwickelt.
Feedback, Kritik, Ideen & Wünsche
Wir lernen laufend und im Laufen! Lauft mit uns und teilt eure Erfahrungen, Ideen und Eindrücke mit uns!
Habt ihr Anmerkungen, Kritik oder Ergänzungen zu diesem spezifischen Equipment? Unser Equipment steckt noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich nun stetig weiter. Wir freuen uns daher enorm zu hören, wie es bei euch ankommt, ob es verstanden und genutzt wird. Oder eben nicht.
Oder habt ihr Ideen für weitere Gelegenheiten oder Equipments, die wir vielleicht sogar zusammen mit euch erarbeiten können? Kennt ihr Projekte, die ihr gerne hier aufgearbeitet und dokumentiert sehen würdet?
Wir freuen uns via equipment@urban-equipe.ch davon zu erfahren.