Partizipation zwischen Aktivismus, Dienstleistung und Party
Im Oktober ist die Urban Equipe in ihre Parti-WAS?! Pitch Night Reihe gestartet. Doch wieso eigentlich genau der Fokus auf das Thema Partizipation? Was können Behörden und Aktivist*innen dabei voneinander lernen? Und was haben WG-Parties damit zu tun? All das erfahrt ihr im Interview mit Sabeth.
Hallo Sabeth, wieso widmet ihr dem Thema Partizipation eine Event-Reihe?
Wenn ich spät Nachts an einer WG-Party nach meiner Arbeit gefragt werde, ich dann etwas von Stadtentwicklung und Partizipation erzähle, dann höre ich als Antwort oft: Party-was? Daraus ziehe ich zwei Schlüsse: Erstens scheint der Begriff Partizipation entweder nicht geläufig oder einfach nicht klar und greifbar genug zu sein. Zweitens sollten partizipative Veranstaltungen vielleicht etwas weniger ernst und trocken und mehr wie eine Party gestaltet werden, sprich zugänglich, verspielt und lustvoll. Beide Punkte wollen wir mit unserer Reihe angehen.
Wie macht ihr das genau?
Um den Begriff zugänglicher zu machen, gehen wir ihn divers, lokal und praktisch an. Dazu laden wir Speaker*innen aus unterschiedlichsten Disziplinen ein, deren partizipative Ansätze wir spannend, anregend und vielleicht auch etwas unerwartet und anders finden. Damit ein unmittelbarer Bezug besteht, fokussieren wir uns dabei auf lokale Akteur*innen und Projekte der jeweiligen Stadt. Weiter suchen wir nicht nach Theoretiker*innen, von denen es zu diesem Thema genügend gibt, sondern Praktiker*innen, die von ihren konkreten Erfahrungen erzählen können und dadurch zum Aktivwerden anregen.
Die Verspieltheit wird neben dieser bunten und inspirierenden Speaker*innen-Auswahl auch durch das niederschwellige Format der Pitch Night erreicht: Das Thema Partizipation wird dabei mit Kurz-Inputs à 5-10 Minuten beleuchtet. Der anschliessende Austausch beim Apéro, mit Getränken und Musik, verleiht dem ganzen schliesslich die persönliche und unverkrampfte Note einer “Party unter Freunden”.
Ihr sucht also bewusst nach verschiedenen Partizipations-Perspektiven. Macht das den Interpretationsspielraum des Begriffs nicht noch grösser, anstatt ihn zu klären?
Ziel der Veranstaltung ist nicht, die Suche nach der einen “richtigen” Definition von Partizipation – denn diese gibt es unserer Meinung nach nicht. Vielmehr finden wir die Vielseitigkeit des Begriffes faszinierend. Verschiedene konkrete Herangehensweisen zu betrachten ist unserer Ansicht nach viel verständlicher und inspirierender, als eine einzige, trockene Definition.



Wie stark unterscheiden sich denn die gängigen Definitionen?
Ganz übergreifend kann man zwischen zwei grundsätzlichen Verständnissen unterscheiden: einer aktiven und einer passiven Sicht auf Partizipation. Dazu muss ich etwas ausholen. Das Wort “partizipieren” kommt aus dem Lateinischen, und heisst übersetzt soviel wie teilnehmen, teilhaben oder einen Teil von etwas ergreifen. Das Verb beschreibt also etwas Aktives, Selbstbestimmtes und Forderndes. Das Substantiv “Partizipation” wird jedoch oft auch für Prozesse verwendet, deren Ziel es ist, andere mit einzubeziehen – die Partizipierenden haben dabei eine passivere Rolle und müssen erst aktiviert werden.
Diesen beiden unterschiedlichen Verwendungen des Begriffes begegnen wir rundherum: in Gesprächen, in Fachtexten, auf Wikipedia oder auch in den Ergebnissen einer Umfrage, die wir im Frühsommer 2019 zum Thema gestartet haben. Darin haben wir gefragt, was Partizipation für euch heisst? Die meisten Antworten liessen sich ziemlich klar einem aktiven oder einem passiven Verständnis zuordnen. Einerseits fallen da Begriffe wie Verantwortung übernehmen, Gemeinschaft, Lebendigkeit, Neugier, Aktivsein, selbständiges Tun. Andererseits wird gesprochen von Beteiligung, Einbezug, Inklusion aller, die Gelegenheit bekommen um mitzuwirken, Leute teilnehmen lassen.
>> Übrigens: Eine Dokumentation der Umfrage findet ihr hier. Und wer noch nicht mitgemacht hat, die Umfrage ist immer noch offen.
Diese “Zweiteilung” beschäftigt mich. Denn ich denke, dass die Antworten der Umfrage nicht nur unterschiedliche Definitionen widerspiegeln, sondern auch etwas darüber aussagen, wie wir uns selbst als Teil der Gesellschaft begreifen. Manche verstehen sich offensichtlich als Citoyen*ne, als aktive und mitverantwortliche Bürger*innen. Andere sprechen hingegen über Partizipation als eine Art Dienstleistung, also etwas, worum sich "die da oben" kümmern sollen und uns teilhaben lassen, indem sie ihre Entscheidungsmacht mit uns teilen.
Welche Art der Partizipation steht bei euch im Fokus?
Als Equipe möchten wir diese beiden Verständnisse von Partizipation näher zusammenbringen. Wir möchten dazu beitragen, dass mehr Städter*innen zu aktiven Stadtmacher*innen werden. Dafür ermutigen wir einerseits Städter*innen, sich unaufgefordert und aktiv für ihre Anliegen einzubringen. Aber dazu gehört andererseits eben auch, dass wir uns für eine Verbesserung der „Partizipations-Dienstleistungen“ engagieren.
Wo liegen die grössten Hürden für eine effektive Partizipation?
Wie wir an unserer ersten Parti-WAS?! Pitch Night sehen konnten, mangelt es nicht an zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich einmischen und Veränderungen fordern. Und auch auf Seiten der Politik oder Behörden gibt es Akteur*innen, die sich für mehr Beteiligungsmöglichkeiten einsetzen. Doch scheint man sich bei solchen Bemühungen oft nicht in der Mitte zu treffen – oder regelrecht aneinander vorbei zu rennen. Die Verwaltung versucht mit grosser Anstrengung Leute zu beteiligen, aber es macht kaum jemand mit. Und umgekehrt gibt es sehr aktive Städter*innen, die sich mit grossem Engagement einbringen und mitreden, aber es hört ihnen niemand zu – sehr überspitzt gesagt. Solche Leerläufe sind für alle Beteiligten ärgerlich und frustrierend. Viel sinnvoller wäre doch, es würden alle einen Schritt aufeinander zugehen und zusammenarbeiten. Oder sich zumindest austauschen und voneinander lernen.



Wie sieht dieser Austausch konkret aus?
Wir sehen den Austausch als Lernprozess zwischen unterschiedlichen Akteur*innen mit diversen Erfahrungen. Städter*innen, Initiativen, Planer*innen, Politiker*innen und Verwaltungsangestellte können viel voneinander lernen. Wenn es zum Beispiel darum geht, die Bevölkerung zum Mitmachen zu bewegen, stehen Verwaltungsangestellte vor ähnlichen Herausforderungen, wie ein aktivistischer Verein, der versucht, Mitstreiter*innen zu gewinnen. Während man dabei in der Verwaltung eher auf unterschiedliche Workshop-Methoden für Mitwirkungsverfahren setzt, testen zivilgesellschaftliche Akteure neue, spielerische Formate für das gemeinsame Nachdenken, Gestalten oder Entscheiden. Mit dem Austausch dieses jeweils sehr spezifischen Know-Hows oder gar mit gelegentlicher Zusammenarbeit wäre allen gedient.
Genauso wichtig ist aber auch der Austausch unter den zivilgesellschaftlichen Initiativen. Da hier oft mit begrenzten Ressourcen Grosses umgesetzt wird, gilt es möglichst effektiv zu arbeiten und von bereits bestehenden Erfahrungen zu lernen: Wie entfalten Engagements möglichst viel Wirkung? Wie findet man Mitstreiter*innen? Oder wie kann man mit Entscheidungsträger*innen in einen konstruktiven Dialog oder sogar in ein Zusammenarbeit kommen? Die Projekte, die wir zur letzten Pitch Night eingeladen haben, ermutigen also nicht nur “Unerfahrene” zum Aktivwerden, sie können auch selber viel voneinander lernen. Diese gegenseitige Unterstützung ist – über die Parti-WAS?! Reihe hinaus – eines unserer grössten Anliegen, für das wir eben auch unser Urban Equipment entwickelt haben: Damit Stadtmach-Wissen möglichst breit und einfach zugänglich wird.
Was macht ihr selber mit den gewonnen Erkenntnissen aus den Pitch Nights?
Generell wollen wir ja zukünftig alles, was wir über Partizipation in der Stadtentwicklung lernen und als wissenswert und hilfreiche empfinden, zu Urban Equipment verarbeiten und veröffentlichen. Das gilt entsprechend auch für alles Wissen, welches wir aus Pitches, persönlichen Gesprächen oder allfälligen Kooperationen mit den eingeladenen Speaker*innen gewinnen. Bereits jetzt finden Interessierte beispielsweise unsere Schritt-für-Schritt Anleitung, um selber eine Pitch Night zu organisieren.
Zur vergangenen Veranstaltung haben wir aber auch einen inhaltlichen Rückblick geschrieben, inklusive einem Video der gesamten Pitch Night. So stellen wir sicher, dass die Inhalte der Reihe überdauern und langfristig für alle einsehbar bleiben.
Wie geht es nun mit der Reihe weiter?
Parti-WAS?! geht auf Tour! Nach dem erfolgreichen Start in Zürich wollen wir weitere Pitch Nights veranstalten – zum selben Thema, aber in anderen Städten und mit anderen Gästen. Die zweite Edition ist im Frühling 2020 in Bern geplant. Vielleicht aber auch bald in eurer Stadt? Ihr könnt uns gerne einladen :) Und wir freuen uns auch weiterhin sehr, wenn ihr uns via Umfrage Tipps zu Projekten oder Personen gebt, die ihr gerne mal auf der Parti-WAS?! Bühne sehen würdet.
Wenn du dir zum Thema Partizipation etwas wünschen könntest, was wäre es?
Da gibt es gleich drei Wünsche:
1. Eine höhere Diversität an partizipativen Möglichkeiten, Methoden, Formaten, Plattformen und Kanälen, um so eine möglichst diverse Stadtgesellschaft zu erreichen.
2. Mehr Städter*innen, die freiwilliges, politisches Engagement für selbstverständlich halten, sich für gesellschaftliche Anliegen engagieren und dort, wo sie gerne mehr mitreden wollen, aktiv mehr Mitsprache einfordern.
3. Eine stärkere Ermöglichungskultur seitens Stadtverwaltung, die sich über das Engagement aus der Bevölkerung freut, offen ist für Inputs, zivilgesellschaftlichen Initiativen Experimentierraum zugesteht und sie beim Versuch, die Bevölkerung einzubinden, als Verbündete versteht.
In drei Worten: Welche Worte fassen deine Arbeit hierzu am besten zusammen?
Partizipation, Initiative, Engagement
Fotos: Michael Meili

Über Sabeth
Wohn - & Lieblingsort? Zürich & überall am Wasser
Lieblingsstadt? Hauptsache Stadt
Hintergrund? Studierte Architektur und Urban Studies, Mitgründerin der Initiativen zURBS, Nextzürich, Hidden Institute, Pavilleon, etc.
Urban Equipe Hut? Gesamtkoordination, Netzwerk
Projekte, die dich inspirieren? Schule für städtisches Handeln von metroZones, Architecture for Refugees Schweiz, openki