Veranstaltungsräume sind in Städten oft knapp, besonders für Initiativen, welche sich ohne Budget, dafür mit eigenen Ideen für einen Zweck engagieren. Wir finden: Bestehende Räume (wie Hallen, Plätze, Museen, …) sollen geteilt werden! Wir möchten euch dazu ermuntern, eigeninitiativ solche Räume zu erschliessen.
Taktik
Geht auf Institutionen eurer Wahl zu, die einen Raum betreiben, und bietet ihnen eine Kooperation in Form einer Wild Card an. Das bedeutet, ihr übernehmt für eine begrenzte Zeit den Tagesbetrieb und bekommt dafür die Freiheit, ein eigenes Programm zu gestalten.
...Eine Wild Card ist eine bewährte Form der Kooperation zwischen einer etablierten Institution und einer freien Initiative. Während einer vereinbarten Zeit darf die Initiative bei der gastgebenden Institution ein eigenes Programm gestalten und geniesst dabei (natürlich in respektvollem Ausmass) auch kritische Narrenfreiheit.
Ideal, wenn ihr …
- … für eine beschränkte Zeit von einigen Tagen bis Wochen einen Veranstaltungsraum sucht.
- … eine Plattform sucht für euer Thema, um ein neues Publikum zu erreichen.
- … euch dafür interessiert, bei einer bestimmten Institution hinter die Kulissen zu blicken.
- … ihr nicht warten möchtet, bis sich eine Institution öffnet, sondern euch proaktiv für eine Öffnung einsetzt.
Schritt für Schritt
1. Fokus formulieren
Die einzelnen Aktivitäten müsst ihr zwar am Anfang noch nicht im Detail schon geplant haben. Aber es ist gut für die Verhandlung mit der Institution, wenn ihr für euch einen Fokus setzen könnt, auf den euer Gesamtprogramm abzielt.
- Interessiert euch ein bestimmtes Thema oder habt ihr ein konkretes Anliegen? (z.B. Feminismus in der Baubranche, ökologisch nachhaltiger Städtebau,...)
- Sind es neue Formate, die ihr ausprobieren möchtet? (z.B. spielerische Diskussionsrunden, Spaziergänge…)
- Geht es euch um eine Vernetzung mit der Institution selbst?
- Geht es euch darum, eure Reichweite zu vergrössern und dafür die Community einer anderen Institution zu erreichen?
Formuliert euren Fokus in einem kurzen Text, fasst eure Überlegungen am besten gleich in einem Infosheet zusammen.
2. Recherche passender Institutionen
Sucht zum Anfangen nach kleineren bis mittelgrossen Kulturinstitutionen in eurer Stadt oder nach soziokulturellen Institutionen, welche gerade neu aufgegangen sind. Diese sind üblicherweise besonders offen für neue Inputs und dankbar für Vernetzung mit einer weniger institutionalisierten Initiative.
Schaut auch bei grösseren, etablierten Institutionen nach. Diese schreiben manchmal von sich aus Wild Cards aus, auf die ihr euch bewerben könnt. Besonders beliebt ist dieses Format für Überbrückungsphasen etwa zwischen zwei Ausstellungen oder in der Sommerpause.
TIPP
Vielleicht gibt es auch Institutionen ausserhalb des Kulturbereichs, die für unkonventionelle Veranstaltungskooperationen offen sind? Denkt zum Beispiel an Detailhändler, Garagen, Coiffeursalons, Schulhäuser, Lagerhallen, Kirchen und weitere. Welche Räume stehen abends, am Wochenende oder in den Ferien leer? Fragt bei Kompliz*innen nach, wo sie schon einmal Räume nutzen durften.
3. Verhandlung
Bereitet die Kontaktaufnahme vor, indem ihr für euch schon einmal diese wichtigsten Fragen beantwortet:
- Warum gerade diese Institution?
- Welche Vorteile hat die Institution, euch einzuladen?
- Welchen Umfang stellt ihr euch ungefähr vor (Zeitraum, Raumbedarf, …)
- Was sind eure Bedingungen, die nicht verhandelbar sind? (z.B. dass ihr keinen Eintritt verlangen wollt, dass ihr auch Nachtbetrieb haben dürft, programmatische Narrenfreiheit oder…)
Nehmt am besten zuerst persönlich Kontakt auf (z.B. an einer Vernissage, Infoveranstaltung, ...), ansonsten telefonisch bzw. schriftlich. Mit dem vorbereiteten Infosheet habt ihr auch schon etwas in der Hand, das ihr eurer Anfrage mit- oder nachreichen könnt.
Wenn eine Institution Interesse zeigt, geht mit ihr ins persönliche Gespräch. Es hilft, wenn ihr während den folgenden Treffen ein kleines Konzept erarbeitet, in dem eure Idee, mögliche Programmpunkte, ungefährer Zeitplan, benötigte Infrastruktur und etwas zum Budget drin steht (erst recht, wenn ihr ohne Budget seid!). Das muss natürlich noch nichts Definitives sein, aber es hilft der Institution, eine Idee von euch zu bekommen.
Hinweis
Es kann gut sein, dass das Interesse und Vertrauen der Institution über mehrere Gespräche hinweg aufgebaut werden muss.
Unsere Empfehlung: Probiert, das erste Gespräch in eurem Atelier/Büro zu vereinbaren. So sehen die Vertreter*innen der Institution gerade, wie ihr ‘tickt’ und selbst fühlt ihr euch ev. selbstbewusster als Gastgeber*in in eigenen Räumen als wenn ihr in “heilige Hallen” geladen werdet.
Die weiteren Gespräche sollen im Idealfall in den Räumlichkeiten der Institution stattfinden, sodass ihr miteinander herumgehen und vor Ort verschiedene Möglichkeiten diskutieren könnt.
4. Vereinbarung
Wenn gegenseitiges Interesse an einer Kooperation besteht, lohnt es sich, auf eine schriftliche Vereinbarung hinzuarbeiten.
So eine Vereinbarung kann und sollte alle Punkte enthalten, die euch wichtig sind, festzuhalten. Hier ist eine Aufführung von Punkten, die wir euch im Minimum empfehlen:
- Beschreibung der Parteien
- Ziel/Zweck der Kooperation
- Startpunkt und Dauer der Kooperation sowie Kündigungsregelung (bzw. Vorgehen bei Konflikten)
- Leistungen der beiden Parteien
- Jeweilige und gemeinsame Kommunikation der Kooperation
- Dokumentation und Informationsaustausch
- Haftungsfragen, Versicherungen etc.
- Räumliche und infrastrukturelle Regelungen: In welchem Zustand findet die Übergabe und am Ende die Rückgabe statt, was darf in der Zwischenzeit verändert werden etc.?
- Kontakte
- Leistungsverrechnung
- Vorgehen bei Konflikten
>> Im Downloadbereich findet ihr ausserdem eine Vorlage von uns. Die könnt ihr direkt benutzen oder zumindest nachschauen , was sich hinter all diesen Punkten verbirgt und wie ihr sie formulieren könnt. Eine weitere, etwas allgemeinere Anleitung gibt die Freiraumfibel.
>> Wenn ihr soweit gekommen seid, interessiert euch vielleicht auch das Equipment zur Organisation einer Wild Card
Tipp
Ein heikles Thema wird allenfalls die finanzielle Übereinkunft sein. Grundsätzlich ist es üblich, dass für Wild Cards keine Partei der anderen etwas bezahlt.
Falls eine Institution dies nicht versteht, könnt ihr mit guten Argumenten punkten. Zum Beispiel:
- Wir arbeiten vollständig ehrenamtlich und/oder nehmen ihnen Arbeit ab, indem wir den Betrieb übernehmen (z.B. Betreuung des Einlasses).
- Wir würden gerne eine langfristige Beziehung zu Ihrer Institution aufbauen und möchten dafür nicht als Kund*innen, sondern auf Augenhöhe kooperieren.
- Wir haben neue thematische Inputs zu XY, was gerade zu Ihrer Ausstellung/Ausrichtung/… passt. Sie bekommen somit eine gratis Recherche.
- Wir bringen Ihnen ein neues Publikum ins Haus, vergrössern also Ihre Reichweite und Glaubwürdigkeit.
- Wir leisten einen inhaltlichen/methodischen Beitrag (z.B. partizipative Formate, neue Zielgruppen o.ä.) den Ihr Haus gemäss der Kulturstrategie XY sowieso leisten sollte.
Sollte die Institution nach diesen Argumenten immer noch auf einer Bezahlung beharren, seid ihr vermutlich eh an einer falschen Adresse ;)
Equipment nutzen
Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei bloss, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist:
Lizenz: CC BY 4.0 | Urban Equipe
Zitiervorschlag: „Dieses Equipment ist unter CC BY 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”
>> Die Erkenntnisse und Tipps dieses How-tos wurden im Gespräch mit Nextzürich entwickelt.
Feedback, Kritik, Ideen & Wünsche
Wir lernen laufend und im Laufen! Lauft mit uns und teilt eure Erfahrungen, Ideen und Eindrücke mit uns!
Habt ihr Anmerkungen, Kritik oder Ergänzungen zu diesem spezifischen Equipment? Unser Equipment steckt noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich nun stetig weiter. Wir freuen uns daher enorm zu hören, wie es bei euch ankommt, ob es verstanden und genutzt wird. Oder eben nicht.
Oder habt ihr Ideen für weitere Gelegenheiten oder Equipments, die wir vielleicht sogar zusammen mit euch erarbeiten können? Kennt ihr Projekte, die ihr gerne hier aufgearbeitet und dokumentiert sehen würdet?
Wir freuen uns via equipment@urban-equipe.ch davon zu erfahren.
