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Wild Card «Bitte stören!»

  • Praxisbeispiel | Umsetzung
erstellt: 04.06.20 / aktualisiert: 25.10.21

Stadtgestaltung geht alle etwas an, fand Nextzürich und gleiste eine Wild Card als Kooperation mit dem Zentrum Architektur Zürich (ZAZ) auf. Während zwei Wochen übernahm Nextzürich den Betrieb einer laufenden Ausstellung zu Zürichs Stadtentwicklung und konnte dafür in dieser Zeit parallel ein eigenes Programm veranstalten. Entstanden sind verschiedene Aktionen, die einen respektvoll-kritischen Blick auf die Ausstellung warfen, die Institution spiegelten, ein neues Publikum anzogen und den Organisator*innen Spass machte.

Auf einen Blick

Was: Eine Wild Card – also zwei Wochen humorvolle Narrenfreiheit in einer stadtbekannten Institution
Wer:
Der Verein Nextzürich zusammen mit der Urban Equipe und weiteren Gästen im Zentrum Architektur Zürich
Wann:
03.-17. August 2019
Wo:
Zentrum Architektur Zürich

impressionen | CC BY 4.0 Urban Equipe1/6

Kontext

Das ZAZ zeichnete in seiner Ausstellung “Nach Zürich” die Geschichte des Städtebaus von Zürich nach. Zudem wurden aktuelle Themen wie Gentrifizierung, Qualität öffentlicher Räume und Verdichtung behandelt. Der Verein Nextzürich fand aber, es gäbe noch mehr Wichtiges dazu zu sagen und hat darauf mit humorvollen Aktionen reagiert.

Ausgangslage

Zürich schaut auf eine bewegte Geschichte zurück - gerne werden hier die Geschichten der Jugendunruhen in den 1980er Jahren erzählt. Die Folgen dieser Bewegung sind bis heute in der Stadt direkt erlebbar, ohne sie dürfte man heute zum Beispiel nicht einmal die Wiesen am Seeufer betreten. Doch zwischen der Generation, die damals auf die Strasse ging, und jüngeren Bewegungen gibt es in Zürich nicht so viel Kontakt. Dabei gibt es viele neue Engagierte, die sich für ähnliche Visionen weiter engagieren, wenn auch mit anderen Mitteln.

Ziel

Nextzürich hat aus mehreren Gründen die Initiative für diese Wild Card ergriffen:

  • Nach einigen verstreuten Aktionen wollte der Verein wieder einmal ein Programm mit allen Mitgliedern zusammen machen und damit den internen Zusammenhalt stärken.
  • Es soll ein Austausch zwischen den älteren Generationen des urbanen Aktivismus (ZAZ) und den jüngeren Generationen (Nextzürich) entstehen.
  • Andere Akteur*innen können dazu animiert werden, auf etablierte Institutionen zuzugehen und sich Raum zu schaffen.
  • Zwei Wochen Sommer in einer Villa am See sind auch einfach toll… Solche Häuser sollen mehr geöffnet und geteilt werden!

Herangehensweise

Kooperativ

Nextzürich schlug dem ZAZ das Format der Wild Card vor, weil dies eine erprobte Form der Kooperation zwischen einer etablierten Institution und einer freien Initiative ist. Beide haben etwas davon. Die Institution bekommt die Chance, neue und spannende Initiativen von ‘morgen’ mitsamt ihrem Netzwerk kennenzulernen; neue Aktionen, eine neue Handschrift sowie ein neues Publikum beleben das Haus; zudem kann die Institution mit ein bisschen Mut sich selbst aus einer neuen Perspektive spiegeln. Die Gast-Initiativen hingegen erhalten eine Plattform für ihr Engagement und vor allem einen temporären Gestaltungsraum mit recht grossen Freiheiten.

Kritisch

Es war von Anfang an von beiden Seiten gewünscht, dass Nextzürich auch kritische Impulse einbringt. Diese sollen innerhalb eines respektvollen Rahmens bleiben, was dem kooperativen Geist einer Wild Card entspricht. Die Möglichkeit für kritische Impulse ist eine notwendige Vereinbarung, damit die Gast-Initiative ein freies Programm gestalten kann. Nextzürich hat mit dem Programm “Bitte stören!” explizit wie implizit ein paar Fragezeichen hinter die Institution gesetzt. So wurde das Thema der Frauen in der Stadtplanung erst mit dem Wild Card Programm in die Ausstellung eingebracht. Und mit ihrer Art einer spontanen, lockeren Organisation befragten die Nextzürich-Mitglieder die Gehobenheit einer Institution, die betont, für alle offen sein zu wollen.

Spielerisch

Die Aktionen von Nextzürich waren bewusst humorvoll und spielerisch. Solche Formate eignen sich besonders dafür, den internen Zusammenhalt zu stärken und einen respektvollen Ton zu finden im kritischen Umgang mit der gastgebenden Institution.

Was wurde erreicht?

Nextzürich hat zusammen mit den Kompliz*innen ein vielseitiges Programm auf die Beine gestellt! Besucher*innen konnten über historische Abstimmungsvorlagen noch einmal abstimmen, es gab aktivierende Spaziergänge im umliegenden Quartier (dem Seefeld), mit Interventionen von “Frau Städtebau” ist die feministische Perspektive in die Ausstellung eingezogen und mit Architecture for Refugees SCHWEIZ wurde ein gemeinschaftliches interkulturelles Essen organisiert - wobei sich die Menschen dadurch kennenlernten, dass sie zuerst den Esstisch zusammen bauten. Gegen Ende fand das dreitägige Festival für Stadtmacher*innen statt und zum Abschluss wurde das Sommerprogramm natürlich angemessen gefeiert.

Dadurch, dass durchgehend Vereinsmitglieder vor Ort im “offenen Büro” anwesend waren, ergaben sich viele Gelegenheiten für vertiefte Gespräche untereinander und mit Besucher*innen. Die Organisator*innen und Teilnehmer*innen sind durch den wunderschönen Ort am See und die Zeit, die sie dort hatten, zusammengewachsen. Das Netzwerk unter den jungen Initiativen konnte sich stärken. Nextzürich konnte sich auch der Institution des ZAZ annähern, durchs Machen einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Das hat Funktioniert

  • Es lohnte sich, nicht auf eine Ausschreibung zu warten, sondern eigeninitiativ auf die Institution zuzugehen und eine Kooperation vorzuschlagen.
  • Es war gut, dass in dieser Zeit Nextzürich den Betrieb des Hauses übernahm (Öffnung, Kasse, Bar, Schliessung) und nur Veranstaltungen von Nextzürich stattfanden. So hatten die Gäste eine grosse Gestaltungsfreiheit.
  • Es bewährte sich auch, ein durchgehendes “offenes Büro” einzurichten, denn durch die kontinuierliche Präsenz von Nextzürich-Vereinsmitgliedern konnte der Ort wirklich neu besetzt und belebt werden.

Hürden

  • Ein solches Programm braucht natürlich viele Ressourcen vom Verein. Dies war teilweise etwas schwierig, weil die Wild Card in die Sommerferienzeit fiel. Darum wichtig: Frühzeitig die Zeit reservieren, es braucht viele helfende Hände!
  • Und vor allem auch nicht zu strenge Erwartungen haben: eine Wild Card heisst so, weil sie auch chaotisch und spontan sein darf. Es passiert, was passiert!

Highlights

  • Gemeinschaft durchs Machen [Mit Architecture for Refugees SCHWEIZ]
  • Voneinander lernen, miteinander weiterkommen [Spedition Stadtmachen]
  • Durch Brüche Neugierige anziehen

impressionen | CC BY 4.0 Urban Equipe1/3

Selber eine Wild Card initiieren?

Dann meldet euch bei der Institutionen eurer Wahl, fragt Nextzürich oder uns um Tipps und schaut unser Equipment How-To | Wildcard initiieren und How-To | Wildcard organisieren mit vielen praktischen Tipps an!

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Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei bloss, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist:

Lizenz: CC BY 4.0 | Urban Equipe & Nextzürich
Fotos:
CC BY 4.0 | Urban Equipe

Zitiervorschlag:
„Dieses Equipment ist unter CC BY 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe und Nextzürich. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”

Kontaktlinks:
Nextzürich

>> Wir haben diese Umsetzung lediglich beobachtet und im Gespräch mit unseren Komplizinnen Nextzürich als inspirierendes Beispiel dokumentiert, jedoch nicht in der Entwicklung mitgewirkt. Für weiterführende Informationen empfehlen wir euch direkten Kontakt mit den Entwickler*innen des Formates aufzunehmen.

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